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Ich bin kein Fan von Hoffnung. Ich mag weder den Begriff „Hoffnung“ noch die Tätigkeit dahinter. Ich weiß weder, wie „hoffen“ geht, noch, was das soll. Doch offenbar können alle Weltreligionen damit viel anfangen. Verstehe ich hier etwas falsch, weil unsere Sprache zu ungenau arbeitet? Wem es genauso geht und wer Hoffen genauso blöd findet wie ich: Hier gehe ich der Sache nach.
Seit dem Althochdeutschen, also seit über 1200 Jahren bedeutet hoffunga/hoffnung das Gleiche wie heute auch: Vertrauen, Zuversicht. Weiter zurück ins Indogermanische könnte es noch eine Verwandtschaft zu hop – aufrichten, heben, springen – geben.
Es läuft also auf ein erhebendes, positives Erwarten hinaus. Anfangs bezog es sich – wie alles im Mittelalter – auf das Verhältnis zu Gott. Und spätestens im Neuhochdeutschen hoffte man auch ganz weltlich, dass die Dinge gut ausgehen mögen.

Ich bin nicht der Erste, der Hoffnung doof findet: Nietzsche nannte sie das „schlimmste Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert“*. Camus verwarf sie als Flucht vor der Absurdität des Daseins, Cioran spricht von der „Tyrannei der Hoffnung“.
Im wirtschaftlichen Denken gibt es eine Entsprechung: Wenn ich weiß, dass ich mein Geld nicht mehr bekomme, zum Beispiel, weil meine Ware nichts mehr wert ist oder mein Kunde bankrott geht, dann schreibe ich diesen Posten ab. Ich kann vielleicht eine Weile lang meine Bilanz schön halten, aber nicht ewig. Irgendwann mache ich mich strafbar.
So viel gegen die Hoffnung, aber: Wenn ich mir die Lebensläufe der oben genannten Denker betrachte, finde ich sie einfach nur traurig. So wahrhaftig es sein mag, was sie sagen: Hoffnungslosigkeit pur befreit zwar, doch mit schwerer Verbitterung als Nebenwirkung.
Wir könnten hier trübsinnig schließen. Gäbe es nicht ein komplett gegenläufiges Konzept unter demselben Namen.
Ohne Hoffnung also kein Mensch.
Am deutlichsten beschreibt es Ernst Bloch mit seinem „Prinzip Hoffnung“, drei Suhrkamp-Bände dick. Für ihn gehört sie zur Grundausstattung des Menschen, wie seine Knochen. Ohne Hoffnung also kein Mensch. Sie ist ein „vorgreifendes Bewusstsein des noch nicht Seienden“. Vielleicht einfacher definiert als „Bewusstsein für das Mögliche“.
Was mir daran gefällt: Bloch hebt das Hoffen aus seiner dümmlichen Passivität. Jetzt wird ein Akt draus: Zeigen, was werden könnte, bevor es real ist. Und vor diesem „Zeigen“ gehört noch das Wahrnehmen des Besseren, wenn es denn mal aufblitzt. In uns selbst, in der Kunst, in der Religion. Bloch nennt diese beiden Disziplinen „Noch-Nicht-Bewusstsein“ und „Vorschein“.** Ich nenne es für mich poetisch-vereinfacht „schöne Sachen aus dem Horizont holen“. Wenn das Hoffen ist, dann will ich das gerne tun.
Interessant auch: Bloch war kein Gottesgläubiger, sondern Marxist. Wir können also ausschließen, dass sein Hoffnungskonzept irgendetwas mit der guten, alten, passiv-ergebenen Hoffnung zu tun hat. Und so liest es sich auch nicht.
So, Hoffnung, was willst Du eigentlich? Hier billiges Sich-Selbst-Vertrösten – dort aktives Wahrnehmen von neuen Möglichkeiten. Hier Sich-einkiffen in nebliges Gottvertrauen – dort entschlossen das Bestmögliche wählen und verwirklichen.
Das bedeutet: Wir reden von Hoffnung und wissen nicht, worüber wir eigentlich sprechen. Oder welche Art von Hoffnung mein Gegenüber gerade meint. Seltsame Sprache, die das wichtigste Verb für unser Zukunfts-Tun so schwammig sein lässt. Vielleicht auch ein Zeichen für die Wurstigkeit oder Schwammigkeit, mit der wir unsere Zukunft kommunizieren. Wie auch immer:
Wenn ich „Hoffnung“ höre, törnt es mich ab, weil ich damit intuitiv nur die alte, passive Form verbinde. Auch wenn ich natürlich weiß, dass es diese neue, aktive auch gibt und sie auch ausübe. Aber ich hätte gerne einen anderen Namen dafür.
„Zuversicht“ ist mir zu schwach, ein bisschen mehr Pfeffer, bitte.
„Hoffnung ist nicht etwas, das uns zufliegt. Es ist etwas, das es zu erschaffen gilt.“
Daisaku Ikeda
Der japanische Buddhismus verwendet den Kanji-Begriff kibo. Das bedeutet: „nach etwas Seltenem, Wertvollen streben“ und wird hierzulande mit „Hoffnung“ übersetzt. Damit war ich nie glücklich, weil damit sofort die alte, passive Hoffnung in den Sinn springt. Mein Lehrer Daisaku Ikeda titelte eine seiner Vorlesungsreihen ebenfalls mit Das Prinzip Hoffnung. Schöner Zufall, liegt er doch mit seinem Verständnis von Hoffnung ganz nah an dem von Bloch. Beide verlassen sich beim Hoffen nicht auf die Gnade von außen oder oben. Der Buddhismus, so schreibt Ikeda, „versichert uns der grenzenlosen Kraft in uns selbst, mit der wir alle Härten überwinden und alle Hindernisse bewältigen können.“*** In einem anderen Essay stellt er fest, dass Hoffnung eine bewusste Entscheidung ist, aktiv zu werden. Zentral dabei ist die Entschlossenheit, das Ichinen, von jetzt an die beste Möglichkeit zu finden. „Hoffnung“, schreibt er, „ist nicht etwas, das uns zufliegt. Es ist etwas, das es zu erschaffen gilt.“
Also auch hier, wie bei Bloch, kein: „Es wird schon irgendwie.“ Und kein: „Gott wird sich schon etwas dabei gedacht haben.“
Sondern: „Weit (oder tief) in die Zukunft blicken.“ Oder: „Möglichkeiten erschaffen.
Die alte, passive Hoffnung „stirbt nicht zuletzt“, sie ist jetzt längst tot.
Aber für die neue hätte ich gerne auch ein neues Wort, ein neues Meme: sexy, erfrischend, fröhlich.
Ich hoffe dran.
* Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches I, §71
** vgl. Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Bd. 1, S. 161 ff.
*** Daisaku Ikeda, Das Prinzip Hoffnung, Bd. 1, S. 4
I Hope, Joe Cocker
The Power, Elton John & Little Richard
The Perfect Life, Moby
Zu finden in der Playlist von Buddha-in-Business auf Spotify Enjoy!
#hopepunk #thruthbomb