Deep Kindness: Wenn zwei Buddhas sich erkennen

In der kühlen Funktionslogik unserer Arbeitswelt gilt stille Güte oder tiefe Freundlichkeit als Luxus oder gar als Schwäche. Dabei ist sie ein endlos erneuerbarer Kraftquell für Führung, Beziehung und echtes Miteinander. Das lehrte mich neulich eine Servicekraft, die eigentlich allen Grund hatte, komplett überfordert zu sein.

Es ist voll, sehr voll im Thermalbad.

Samstag, der erste richtige Herbsttag, draußen Sturm, drinnen Dampf. Offenbar hatten alle dieselbe Idee: in heißem Wasser sitzen, durchatmen, auftauen. Und dann hatten alle Hunger. Zu viele.
Vor dem Ausschank quietschende Badelatschen, verschränkte Bademäntel, mürrische Gesichter. Der gierige Blick auf den letzten freien Tisch, auf das letzte Stück Kuchen. Beides weg. Ich ertappte mich dabei, wie schnell die Laune kippt, wenn’s mal nicht rund und schnell läuft. So weit, so doof. Kennt man.

Dann war ich dran.
Vor mir eine junge Frau, zierlich, konzentriert, die dunklen Haare unterm Tuch gebändigt. Ich bestelle, sie bückt sich, zieht die Weißbierflasche aus der stählernen Kühlschublade, taucht wieder auf, öffnet die Flasche und schenkt ein.
Sie blickt mich an. Ich blicke zurück.
Wir nehmen uns wahr.

Eine Sekunde später sagt sie leise:
„Ein Moment der Stille …“
Das Bier läuft weiter ins Glas. Ein Drittel, die Hälfte …
„Genau“, sage ich.
„Den genießen wir jetzt.“ Zwei Drittel, drei Viertel.
Der Schaum steigt, erreicht den Rand.
Dann, fast verlegen:
„Ich hab’s nicht ganz geschafft“, sagt sie und lächelt. „Ich geb Ihnen die Flasche mit.“

Das war’s.
Aber was war das?

Ein Flirt war es nicht.
Kein Bedürfnis nacheinander. Nur ein kurzes Erkennen: Wir sind mehr als Servicekraft und Gast. Viel, viel mehr.

Auch so geht Weltveränderung

In diesen fünf Sekunden, während das Weißbier ins Glas lief, verwandelte sich das Chaos in ein Land des ruhigen Lichts, wie wir Buddhisten sagen.

Dieses Land ist immer da.
Man muss nur jemanden treffen, der den Weg dorthin noch kennt.

Dieses Land ist immer da.
Man muss nur jemanden treffen, der den Weg dorthin noch kennt.

Dieser Moment hat in mir eine tiefe Verbundenheit ausgelöst – nicht im Sinne von Gefallen oder Entscheidung, sondern als unmittelbares Erkennen: Wir sind Menschen, wir besitzen Würde, unantastbar, aber berührbar. In diesem gemeinsamen Menschsein wird Heimat spürbar, auch wenn’s im Moment nur ein steril gekacheltes Hallenbadcafé ist.

Der buddhistische Philosoph Nichiren beschreibt das so: „Wenn das Herz der Lebewesen unrein ist, so ist auch ihr Land unrein; doch wenn ihr Herz rein ist, so ist es auch ihr Land. Es gibt nicht zwei Arten von Ländern, die von sich aus rein und unrein sind. Der Unterschied liegt allein im Guten und Bösen unserer Herzen.“*

Wenn das „Land des ruhigen Lichts“ in uns aufleuchtet, entstehen neue Möglichkeiten. Es ist der echte Change vor dem sichtbaren Change.

* siehe Kanon,  Seite 4

Nachklang

Mediterranean Breakfast, Sue Foley
Help Me Thru These Difficult Times, Tuomo
Tiempo Y Silencio, Cesária Evora

Zu finden in der Playlist von Buddha-in-Business auf Spotify Enjoy!

#BuddhaMoments

Armin Jäger
Armin Jäger

In diesem Sinn ist Klarheit weniger Krönung als Quelle: Sie schenkt Energie, Zuversicht und Richtung.