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Buddhistische Begriffe, Konzepte & Prinzipien

Glossar

Dieses Glossar erklärt zentrale Begriffe des Soka-Buddhismus.

Viele davon verweisen am Ende auf eine konkrete Praxis – das Rezitieren von Nam-Myoho-Renge-Kyo. Für Soka-Buddhist:innen ist dies die Methode, um Mut, Mitgefühl und Weisheit im eigenen Leben direkt zu aktivieren.

Doch die hier gesammelten Prinzipien sind nicht nur für Buddhist:innen interessant. Sie lassen sich auch als Inspiration für Führung, Zusammenarbeit und Selbstführung lesen. Andere Traditionen haben ihre eigenen Wege, ähnliche Haltungen zu kultivieren – durch Gebet, Meditation, Achtsamkeit oder Reflexion.

So ist dieses Glossar gedacht: als Einladung, Prinzipien kennenzulernen, die im Alltag, im Arbeitsleben und in der Wirtschaft Orientierung geben können – unabhängig von der persönlichen Praxis.

Grundsätzliche Quelle für alle Einträge: The Soka Gakkai Dictionary of Buddhism

Hier alle Einträge hintereinander, von A bis Z:

[GroßeGanze]

Dieser Begriff ist eine Eigenkreation, zugleich ein Parameter, um je nach Religion, Glaubensrichtung oder Lebensphilosophie Folgendes einzusetzen:

Buddha / Brahma / Gott / Allah / Jahwe / Universum / Kosmos / All /Alles Leben (organisch wie anorganisch, materiell wie potentiell-geistig) … oder wie auch immer der persönliche allumfassende Bezugspunkt heißen mag.

Das [GroßeGanze] ist in diesem Blog als Einladung gedacht: Das [GroßeGanze] ist für jeden Menschen wahrnehmbar, spürbar und erfahrbar. Ein Blick in den Sternenhimmel oder ein paar achtsame Atemzüge genügen dafür. Wie wir diese allumfassende, aber mit dem Verstand nicht fassbare Realität nennen, ist zweitrangig. Das [GroßeGanze] wünsche ich mir als Brücke, auf der wir – Atheisten wie Gottgläubige – uns besuchen können, ohne in den alten, albernen Streit zu verfallen „ob Gott existiert oder nicht“. Das [GroßeGanze] umgibt uns alle und lebt durch uns hindurch. Fragt sich, wie wir damit umgehen wollen. Der Soka-Buddhismus will aus dieser Beziehung – [KleinesIch] versus [GroßeGanze] – stetig und ständig Wert schaffen für sich und andere. Als Trainingsgrundlage dafür hat er das Chanten.

Ausübung

Die Ausübung des Soka-Buddhismus besteht aus drei Disziplinen: Ausübung, Glaube und Studium. Sie greifen ineinander und verstärken sich in ihrer Wirksamkeit gegenseitig. Wer aus einer anderen Tradition kommt, kann die drei Disziplinen auch als universelle Dimensionen verstehen – regelmäßige Ausübung, Vertrauen in die eigene Wandlungsfähigkeit und Lernen von Quellen oder Vorbildern. Im Berufsleben wirkt es wie mentales Training: Es stärkt Fokus, Resilienz und Entscheidungsfähigkeit.

Ausübung – die Kern-Ausübung ist das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo. Wir hadern etwas mit dem Begriff „Meditation“, weil darunter die Allermeisten stilles Sitzen und Sich-Versenken verstehen. Das ist es nicht. Hier arbeitet die Stimme, dabei konzentrieren wir uns dabei auf eine Schriftrolle, den „Gohonzon“, den wir wie einen Spiegel betrachten und der unser höchstes inneres Potential reflektiert. Unsere Aufmerksamkeit geht also nach außen auf dieses Konzentrations-Objekt – und von dort wieder nach innen. Dennoch hat diese Ausübung mit der Meditation, wie sie üblicherweise verstanden und praktiziert wird, einiges gemeinsam: die Konzentration auf den eigenen Geist – hier über den Gohonzon als „Spiegel“ –, das Bestreben, Gedanken ziehen zu lassen und den höchsten Lebenszustand zu erreichen, die Buddhaschaft.

Auch wenn das Chanten die spezifische Praxis im Soka-Buddhismus ist, lässt sich sagen: Jede Form von regelmäßiger innerer Praxis – sei es Gebet, Meditation oder bewusste Reflexion – stärkt die Fähigkeit, den eigenen Geist auf positiven Wandel auszurichten.

Glaube – auch diese Disziplin steht in scheinbarem Widerspruch zu den gängigen Meditationsformen, wie sie zum Beispiel in der Achtsamkeitsbewegung praktiziert werden. Dort wird man eher angehalten, sich von Wünschen und Hoffnungen zu lösen und nichts zu erwarten. Das ist in der Ausübung des Soka-Buddhismus nicht so: Hier bricht die Überzeugung, „dass es wirkt“, die Tür auf, die sich mit dem Verstand nicht öffnen lässt. Am Anfang ist das „Einfach-mal-machen“ bereits ein Akt des Glaubens, später wird es immer wichtiger, bedingungslos darauf zu vertrauen, dass ich mein Selbstwertgefühl steigern und mein Leben positiv verändern kann. ABER: In diesem Buddhismus wird nie ein „blinder Vertrauensvorschuss“ verlangt. Der Glaube wächst parallel zu den positiven Erfahrungen, die man mit dieser Ausübung macht. UND: Es wird an nichts geglaubt, was außerhalb von uns ist. Letztlich lerne ich mit dieser Ausübung, meinem eigenen Leben bedingungslos zu vertrauen und damit jede Schwierigkeit zu meistern und mein höchstes Potential zu verwirklichen.

Vergleichbar ist dies mit der inneren Haltung von Vertrauen, die auch in Psychologie, Coaching oder Achtsamkeitsansätzen entscheidend ist.

Studium – Soka-BuddhistInnen treffen sich regelmäßig, um gemeinsam zu studieren. Dabei gehen wir direkt an die Quellen und es wird großer Wert auf die korrekte Weitergabe gelegt, damit man nicht ins Predigen oder Schwurbeln gerät. In dieser Art Studium geht es nicht um Wissenserwerb, sondern um Umsetzung und Selbstveränderung. Wir arbeiten an unserer Lebenseinstellung und lernen am Beispiel unserer Meister, wie man persönliche Herausforderungen anpackt und in Wert verwandelt.

Ziel der buddhistischen Ausübung ist die Menschliche Revolution und der Aufbau von Glück.

Wir sprechen auch von „Ausübung für sich und andere“ – wir praktizieren für unsere eigenen Wünsche und Ziele UND für das Wohl unserer Mitmenschen. Wenn es opportun ist, zeigen wir anderen diese Ausübung, so dass auch sie damit positive Erfahrungen machen können. Auch das wird unter „Ausübung für andere“ verstanden.

Wer nicht Buddhist ist, kann dies auch als universelles Prinzip verstehen: Sich mit Quellen, Vorbildern oder inspirierenden Ideen auseinandersetzen, um daraus Veränderungskraft zu gewinnen.

Bodhisattva

bedeutet wörtlich „Erleuchtungswesen“ (bodhi = Erleuchtung, sattva = Lebewesen), ein Wesen also, das auf dem Pfad der Erleuchtung unterwegs ist.

Im Buddhismus wurde er zum Ideal jedes Praktizierenden, der Erleuchtung sowohl für sich als auch für andere anstrebt – oft verbunden mit der Bereitschaft, den Eintritt ins Nirwana aufzuschieben, um anderen zu helfen. Mitgefühl ist also das Kernmerkmal von Bodhisattvas.

Im Arbeitsleben heißt das: Nicht nur die eigene Karriere im Blick haben, sondern das größere Umfeld – Team, Kunden, Umwelt etc. Nach und nach kann man dann den eigenen Beitrag immer sinnvoller und stimmiger steuern.

Bodhisattvas geloben, unzählige Wesen zu retten, unzählige Begierden zu überwinden, unermessliche Lehren zu meistern, höchste Erleuchtung zu erlangen.

Traditionell über viele Leben hinweg, doch laut Lotos-Sutra auch in einem einzigen Leben möglich.

Im Nichiren- und Soka-Buddhismus ist grundsätzlich jede Person ein Bodhisattva, die kontinuierlich Nam-Myoho-Renge-Kyo mit der Sehnsucht nach Glück für sich und andere chantet. Damit wird, gemäß dieser Lehre, grundsätzlich ein Entwicklungsprozess hin zum Bodhisattva-Dasein in Gang gesetzt. Diese Lehre besagt sogar, wir seien alle ursprünglich Buddhas, die absichtlich als Bodhisattvas geboren werden wollten, um anderen zu helfen, Buddhas zu werden. Damit verwirklichen wir die Buddhaschaft immer wieder neu, Leben für Leben. Mit dieser grundpositiven Aussage ist gemeint, dass wir ausnahmslos alle das Potential in uns tragen, in diesem Leben und in allen nächsten ein Bodhisattva-Buddha zu werden.

Im Konzept der Zehn Welten steht der Bodhisattva für Mitgefühl, selbstloses Handeln und das Streben nach gemeinsamem Glück.

Buddha

bedeutet „Erwachter“ oder „Erleuchteter“. Ursprünglich bezeichnete das Wort in Indien jede Person, die religiöses Erwachen erlangte. Im Buddhismus meint es jemanden, der die ewige, höchste Wahrheit aller Dinge erkennt und andere zur gleichen Erkenntnis führt.

Zunächst nur auf Shakyamuni bezogen, erscheinen in Mahayana-Schriften zahlreiche Buddhas, z. B. Amida oder der Medizin-Buddha.

Ausdrücke wie „Buddhas der zehn Richtungen“ oder „Buddhas der drei Existenzen“ betonen ihre Allgegenwärtigkeit und das universelle Potenzial zur Erleuchtung.

Im frühen Buddhismus (Theravada) gilt als Buddha, wer Nirwana erreicht und dessen Körper und Geist erloschen sind.

Im späteren Buddhismus wird die Buddhawürde nach unzähligen Leben disziplinierter Praxis erlangt.

Das Lotos-Sutra beschreibt den Buddha als Herrscher, Lehrer und Elternfigur, der die wahre Natur aller Phänomene erkennt und lehrt.

Der Nichiren- und Soka-Buddhismus sieht in jedem Menschen das Potential, Buddha zu werden. Menschen, den Soka-Buddhismus ausüben, erleben die Verwirklichung der Buddhaschaft als dynamisches Geschehen, in dem man trainiert wie in einer Sportart. Mit zunehmender Ausübung erleben sie den Zustand der Buddhaschaft immer öfter und intensiver. Die Buddhaschaft wird als Prozess betrachtet, in dem man sein „kleines Ego-Selbst“ überwindet und das höchste menschliche Potential verwirklicht.

In der Lehre der Zehn Welten ist es der zehnte und höchste Lebenszustand.

> siehe auch Bodhisattva

Chanten (Nam-Myoho-Renge-Kyo)

Die Grundausübung im Soka-Buddhismus. Sie besteht im Rezitieren von Nam-Myoho-Renge-Kyo. Der Begriff ist aus dem Englischen importiert – to chant – dem Verb für sakralen Gesang, das uns im Deutschen fehlt. Es wird intoniert wie gesprochen und jede Silbe wird gleich betont. Besondere Regeln fürs Atmen, wie man es vielleicht vom Yoga gewohnt sein mag, gibt es hier nicht.

Und so klingt es: [Sound-Datei einbauen]

Stärker bekannt geworden ist diese Ausübung durch die Biografien von Tina Turner und dem Film über ihr Leben, wo man sie beim Chanten sieht. Tina Turner praktizierte ebenfalls den Soka-Buddhismus. Anhand ihrer Lebensgeschichte kann man den Sinn und Zweck des Chantens gut erkennen. Soka-BuddhistInnen chanten unter anderem, um:

  • ihr Leben immer wieder zu erneuern und ins Positive zu verändern
  • die Tugenden des Buddha – Mut, Weisheit und Mitgefühl – in sich hervorzurufen und diese zur Handlungsgrundlage zu machen
  • Wünsche, Träume und Hoffnungen zu verwirklichen
  • Karma in Aufgabe zu verwandeln
  • Schwierigkeiten und Hindernisse als Sprungbrett für größeres Glück zu nutzen
  • die 4 Grundleiden – Geburt, Krankheit, Alter, Tod – zu überwinden
  • zum Glück ihrer Familien, FreundInnen, KollegInnen und letztlich aller Mitlebewesen beizutragen
  • Konfliktsituationen friedlich und kreativ zu meistern

Das große, umfassende Ziel des Chantens ist die menschliche Revolution, die stetige, ständige Selbstveränderung, die das Ego einhegt, eine umfassendere, umsichtigere Lebenseinstellung kultiviert und positiveres Handeln auslöst.

Das Chanten wirkt durch den Klang und die Vibration. Wir Soka-Buddhisten nennen es „den Weckruf an den Buddha in uns“. Und es wirkt durch die Konzentration auf – oder den Glauben daran –, dass wir Buddha sind und jedes Unglück in Glück verwandeln können. Anders die stille Meditation, wie sie im Zen oder in der Achtsamkeitsbewegung praktiziert wird, liegt der Fokus nicht so sehr im Beobachten und Geschehenlassen der eigenen Gedanken, sondern auf dem Tun durch unsere Stimme. Das Chanten ist für die meisten eher aktivierend, auch wenn hier der Geist ebenfalls zur Ruhe kommen mag und sich Entspannung, Gelassenheit und Gewissheit einstellen können. Es geschieht das, was unser Herz gerade braucht – so erleben wir die Wirkung des Chantens.

In der Regel chanten wir Soka-Buddhisten zwei Mal am Tag, morgens und abends. Die Dauer ist nicht vorgeschrieben, empfohlen wird „nach Herzenslust“ und natürlich nach den Bedingungen unseres Alltags. Das können an ereignisreichen Tagen nur ein paar Minuten sein, in Krisenzeiten oder vor wichtigen Ereignissen auch gerne mal eine Stunde oder mehr.

Wir chanten als Basis unseres Alltags allein, aber oft auch gemeinsam, zu zweit oder in Gruppen, um uns gegenseitig zu inspirieren, anzuspornen und zu unterstützen. Das ist einem Ausdauersport nicht unähnlich: Ich muss dranbleiben, sonst verliere ich meinen hohen Lebenszustand wieder, und ich schaffe das kaum ohne die Unterstützung anderer, die diesen Sport ebenfalls betreiben. Doch wer den Nutzen des Chantens wiederholt erlebt und Krisen damit gemeistert haben, bleibt meist bis ans Lebensende dabei.

Drei Bereiche (des Daseins)

Teil des umfassenderen buddhistischen Konzepts namens Ichinen Sanzen von Tiantai, das die Dynamik allen Lebens beschreibt. Sie sind das Selbst, die Mitmenschen und die Welt. Hier genauer aufgeschlüsselt:

1. Der eigene Bereich, der in diesem Konzept aus fünf Komponenten besteht: Form (Körper/Sinnesorgane), Wahrnehmung, Vorstellung, Wille und Bewusstsein. Es ist das, was mich und jeden anderen Menschen ausmacht.

2. Der Bereich der Lebewesen: Die zeitweilige Einheit dieser fünf Komponenten – einzeln oder als Gemeinschaft. Damit wird hauptsächlich das Zusammenspiel von Menschen bezeichnet.

3. Die Umgebung, das Umfeld, die Umwelt. Der Ort, an dem die Lebewesen handeln. Gemäß dem Prinzip der Einheit von Selbst und Umgebung spiegelt die Umgebung das Innenleben eines Menschen und umgekehrt.

Man kann sich die Drei Bereiche als miteinander verwobene konzentrische Kreise vorstellen: 1) der persönliche Bereich, 2) der gemeinschaftlich-interaktionelle Bereich und 3) die Umgebung.

Die Drei Bereiche sind in jeder der Zehn Welten vorhanden, was bedeutet: Jeder Lebenszustand manifestiert sich in jedem dieser Bereiche auf unterschiedliche Weise. So manifestiert zum Beispiel der Lebenszustand des Hungers ein anderes Innenleben, Zusammenleben und Umfeld als der Lebenszustand des Ärgers oder des Buddha.

Einheit von Körper und Geist

Ein mittlerweile auch im Westen vertrautes Konzept: „Körper und Geist sind nicht zwei“, auf Japanisch Shiki-shin-funi.

Im Soka-Buddhismus beschreibt es die untrennbare Einheit von physischer und geistiger Existenz. „Shiki“ steht für das Materielle – Körper, Sinnesorgane, Umgebung. „Shin“ bezeichnet den Geist – Bewusstsein, Gedanken, Gefühle.

Beide sind verschiedene Aspekte desselben Lebens und beeinflussen sich wechselseitig:

Ein gesunder Geist wirkt sich positiv auf den Körper aus, und der körperliche Zustand prägt wiederum unsere geistige Verfassung.

So können innere Veränderungen – etwa durch Glaube, Entschlossenheit und Mitgefühl – äußere Umstände und sogar die körperliche Gesundheit beeinflussen.

Shiki-shin funi widerspricht der Vorstellung, Körper und Geist seien getrennte, unabhängige „Substanzen“. Stattdessen betont es, dass jede Veränderung des einen unweigerlich den anderen berührt.

Diese Sichtweise ermutigt dazu, an beiden Ebenen gleichzeitig zu arbeiten – den Geist zu stärken und für den Körper zu sorgen –, um ganzheitliches Glück und Erfüllung zu erreichen.

Einheit von Meister und Schüler

Ein Konzept, das sich vor allem im Nichiren-/Soka-Buddhismus herausgebildet hat. Es beschreibt die Beziehung von MeisterIn und SchülerIn im Buddhismus, also zwischen der Person, die einem den Buddhismus lehrt, und der Person, die von ihr den Buddhismus lernt. Die zwei bilden eine Einheit. Der japanische Begriff von „Einheit“ ist „funi“ und bedeutet „nicht zwei“ bzw. „ungetrennt“. In Bezug auf die MeisterIn und SchülerIn hat dies mehrere Aspekte:

  • Ohne das eine wäre das andere nicht vorhanden. Kein Meister ohne Schüler. Kein Schüler ohne Meister. So weit, so logisch.
  • Kein hierarchisches Verständnis, sondern, modern gesprochen, eine Partnerschaft auf Augenhöhe.
  • Die Einheit ergibt sich vor allem aus dem gemeinsamen Ziel, aus der tiefen geteilten Sehnsucht, allen Menschen den Weg zu ihrer Buddhaschaft zu weisen. Es ist also ein gemeinsamer Erziehungsauftrag.

Im Soka-Buddhismus gilt das Ethos, dass ein Meister nur dann ein guter Meister war, wenn der Schüler ihn übertrifft. Das ist so bescheiden wie logisch: Der Schüler muss sich, da meist in der Folgezeit aktiv, vielen neuen, bislang ungekannten Herausforderungen stellen. Das Gleiche gilt für MeisterIN und SchülerIN.

Einheit von Selbst und Umgebung (Esho-Funi)

bedeutet wörtlich „Subjekt und Objekt sind nicht zwei“ – im Soka-Buddhismus oft als „Leben und Umwelt sind nicht zwei“ erklärt.

„E“ steht für das abhängige Phänomen, die Umwelt; „shō“ für das Hauptsubjekt, das individuelle Leben. „Funi“ heißt „nicht zwei“. Umwelt und Hauptsubjekt sind untrennbar verbunden: Dessen äußere Welt spiegelt dessen inneren Zustand wider.

Das heißt: Unser Bewusstsein, unsere Werte und Einstellungen wirken sich darauf aus, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen – und sogar, wie sie sich real gestaltet. Eine Umgebung kann für zwei Menschen völlig unterschiedlich wirken, je nach ihrem inneren Zustand.

Eshō funi leugnet nicht äußere Einflüsse, betont aber, dass nachhaltige Veränderung bei uns selbst beginnt.

Im Soka-Buddhismus bedeutet dies, durch innere Wandlung eine harmonische, lebensförderliche Umwelt zu schaffen – im persönlichen Umfeld ebenso wie in der Gesellschaft. So wird äußere Verbesserung zur direkten Folge innerer Transformation. 

Einigkeit in Vielfalt (Itai Doshin)

Itai Doshin (jap.) bedeutet wörtlich „verschiedene Körper, ein Herz“. Ich habe es hier frei mit „Einigkeit in Vielfalt“ übersetzt.

Im Soka-Buddhismus beschreibt es den Zustand, in dem Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, Hintergründen und Fähigkeiten ein gemeinsames Ziel teilen und in Harmonie handeln. Dies Prinzip wird in der Soka Gakkai bei gemeinsamen Aktivitäten immer wieder betont, trainiert und neu verwirklicht, zum Beispiel im Management von Veranstaltungen, Anti-Atomwaffen-Kampagnen oder Hilfsaktionen.

„Verschiedene Körper“ betont die Vielfalt – niemand muss gleich sein oder dieselben Stärken haben. „Ein Herz“ steht für die gemeinsame Ausrichtung auf ein höheres Ziel, im Nichiren-Buddhismus oft das Streben nach Glück für sich und andere und die Verwirklichung einer friedvollen, gerechten Gesellschaft.

Itai doshin ist nicht Uniformität, sondern bewusste Einheit in Vielfalt. Diese Verbindung entsteht aus gegenseitigem Respekt, Dialog und dem Teilen einer tiefen Überzeugung – im Glauben wie in Projekten.

Nichiren Daishonin betonte, dass eine Gruppe in Itai Doshin große Kraft entfalten kann, während Herzen, die mit sich selbst in Disharmonie sind, auch starke Individuen schwächen.

In der Praxis heißt das: Unterschiede schätzen, aber Herzen und Richtung vereinen – dann wird kollektive Stärke möglich.

Entschlossenheit (Ichinen)

Bedeutet wörtlich „ein Gedanke“ oder „eine Herzensregung“.

Im Soka-Buddhismus bezeichnet es nicht nur einen flüchtigen Gedanken, sondern den tiefsten, grundlegenden Zustand des Lebens in einem bestimmten Moment – die innere Ausrichtung, die unser Handeln und unsere Zukunft prägt. Deshalb habe ich „Ichinen“ hier mit „Entschlossenheit“ übersetzt.

Diese innere Entschlossenheit kann unbewusst bereits vorhanden sein oder durch einen bewussten Entschluss initiiert werden. Beides wirkt unmittelbar auf unser Verhalten, unsere Wahrnehmung und die Wechselwirkung mit unserer Umwelt (Eshō Funi).

Im Soka-Buddhismus gilt: Eine entschlossene, positive Ausrichtung im Ichinen kann den Verlauf eines ganzen Lebens ändern.

Ichinen im klassischen Sinne ist der Ausgangspunkt von Tiantais Lehre von Ichinen Sanzen – sie besagt, dass in einem einzigen Moment des Lebens alle drei Tausend Aspekte der Existenz enthalten sind.

In der Ausübung der Soka Gakkai bedeutet dies, durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo das eigene Ichinen bewusst auf Mut, Mitgefühl und Weisheit auszurichten – um sofort eine konstruktive Kettenreaktion im Leben und in der Umwelt auszulösen.

Ohne Ichinen gäbe es kein Vorankommen in der eigenen Menschlichen Revolution.

Gift in Medizin

Das Prinzip, Negatives als Mittel für künftiges Positives zu nutzen.

„Mitglieder der Soka Gakkai sprechen oft davon, wie sie es durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo geschafft haben, mit Problemen auf neue Weise umzugehen. Ihre Schwierigkeiten haben ihnen sogar dazu verholfen, etwas unerwartet Positives zu schaffen, etwas, womit sie nicht gerechnet hatten. Dieser Prozess wird im Buddhismus als Gift in Medizin verwandeln bezeichnet und beschreibt mit anderen Worten, dass schmerzliche und hoffnungslose Situationen letztlich den Schlüssel zur Erfüllung von Wünschen und zur Erleuchtung bereithalten.“ [aus Der Schlüssel zum Glück, SGI-D, 2009, S. 107, ISBN 78-3-937615-12-7]

Damit ist keine esoterische Alchimie gemeint, sondern ein Resultat, das sich durch disziplinierte Ausübung, Ichinen und einer aktivierten, kritischen Selbstreflektion ergibt. Dabei frage ich mich weniger, WARUM etwas gerade mir passiert ist, sondern WIE JETZT WEITER? – wie es das Prinzip von „Honnin Myo“ („von jetzt an“) lehrt.

Gift in Medizin“ erfüllt vieles von dem, was in der Resilienz-Forschung beobachtet und empfohlen wird. Im Soka-Buddhismus ist das Resilient-Werden eingebettet in eine umfassende Ausübung, die absolutes Glück zum Ziel hat.

Glück

Wird hier im Sinne einer aktiven, dynamischen Lebenskunst verstanden. Wird im Soka-Buddhismus so beschrieben:

  • Glück ist hier eine innere Qualität und unabhängig von äußeren Umständen. Durch die Ausübung des Soka-Buddhismus kann ich Glück ansammeln oder trainieren. Wie einen Akku in mir, dessen Ladekapazität ich stetig erweitern und den ich immer wieder aufladen kann. Es ist also eine aktivierbare „Kraft von innen“.
  • Mit dieser Kraft schaffe ich günstige Umstände im Äußeren – gemäß dem Prinzip der Einheit von Selbst und Umgebung. Durch die Ausübung verändere ich meine inneren und äußeren Umstände zu meinen Gunsten.
  • Gleichzeitig entwickle ich Resilienz, mit der ich jedem Problem, jeder Krise, jeder Katastrophe gewachsen bin. Das befreit mich nicht von Wut, Trauer oder Verzweiflung, setzt aber schneller eine Dynamik von Erneuerung in Gang, die sich schließlich über Wut, Trauer oder Verzweiflung erhebt. Das nennt man „Gift in Medizin verwandeln“.

Dementsprechend unterscheiden wir zwischen „absolutem Glück“ und „relativen Glück“.

Das „absolute Glück“ ist wie oben beschrieben, das haben wir immer in der Hand. Es ist von nichts und niemandem abhängig. Deshalb „absolut“.

Das „relative Glück“ sind die Belohnungen, die uns ab und an von außen zufliegen: Erfolg, Reichtum, Ruhm, guter Sex, gutes Essen und so weiter. Im Soka-Buddhismus wird dieses Glück nicht abgelehnt, sondern ebenfalls begrüßt. Das war’s aber auch schon: Genieße es, wenn es da ist. Und heule nicht, wenn es weg ist. Es ist naturgemäß unbeständig und abhängig von äußeren Bedingungen. Und es ist sinnlos, verbissen danach zu streben.

Stattdessen bin ich im Soka-Buddhismus eingeladen, mein „absolutes Glück“ aufzubauen, zu erleben und damit positive Veränderungen in meiner Umgebung zu bewirken.

Honnin Myo (Von jetzt an)

Bedeutet wörtlich „wahre Ursache“ und sinngemäß auch „von jetzt an“. Im Soka-Buddhismus geht es um den jetzigen Moment: „Von jetzt an“ ist die bewusste Entscheidung, im gegenwärtigen Augenblick eine neue, positive Richtung einzuschlagen.

Im Gegensatz zu karmischem Denken, das die Gegenwart primär als Ergebnis vergangener Ursachen sieht, betont Honnin Myō die Zukunftsgerichtetheit: Jeder Mensch kann im jetzigen Moment eine Ursache setzen, die unmittelbar eine neue Wirkungskette auslöst.

Diese „wahre Ursache“ ist stärker als jede frühere Bedingung, weil sie auf bewusster Entschlossenheit und innerem Wandel beruht.

In der Praxis heißt das: Durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo und entschlossene Handlungen kann man von jedem Ausgangspunkt – auch aus schwierigen Situationen – einen völlig neuen Lebenslauf beginnen.

Honnin Myō ist somit ein Prinzip radikaler Hoffnung: Die Zukunft entsteht nicht aus der Vergangenheit, sondern aus dem entschlossenen Jetzt.

Ichinen Sanzen

Ein buddhistisches Konzept, das die innere und äußere Dynamik des Lebens beschreibt. Wörtlich bedeutet es „3000 Aspekte in einem einzigen Lebensmoment“.

Und sagen will es: In jedem einzelnen Moment unseres Bewusstseins sind alle Aspekte der Existenz vorhanden – nicht nur unserer eigenen, sondern der Existenz aller Lebewesen und allem, was im Kosmos vorhanden ist.

„Ichinen“ bedeutet auch „Entschlossenheit“ oder „Herzensfokus“ und verweist damit auf unseren persönlichen Einfluss. Der Soka-Buddhismus leitet daraus die Maxime ab: „Wenn sich mein innerer Entschluss ändert, ändert sich auch meine Realität. Und da ich mit anderen Menschen in Beziehung stehe, ändert sich auch deren Realität, und so weiter. Durch das Chanten versuchen wir Soka-Buddhisten, die Qualität unseres Lebens (und uns selbst) zu verbessern.

Wäre es im Business-Kontext bekannt, wäre es DAS Konzept für „Change“, erst für den inneren, dann für den äußeren.

Es besagt: Unser gegenwärtiger Zustand bestimmt, wie wir die Welt sehen, wie wir handeln und welche Realität wir damit erzeugen.

Dieser Zustand setzt sich aus 3000 Aspekten zusammen, die die Dynamik unseres und allen Lebens erzeugen. Diese sind:

  • Die 10 Seinszustände oder „Welten“: Hölle, Hunger, Animalität, Arroganz, Ruhe, Freude, Lernen, Erkenntnis, Bodhisattva, Buddhaschaft. Grob erklärt: Wir tragen in jedem Moment unseres Lebens gerade eine dieser Brillen. Wir haben auch eine bevorzugte Brille, durch die wir die Welt betrachten. Das macht 10.
  • Das gegenseitige Enthaltensein dieser 10 Seinszustände. Das bedeutet in jedem Seinzustand sind auch die anderen neun vorhanden. Das erlaubt uns den Change in unserem Leben: Wir können die Brille wechseln, weil selbst in der Hölle alle anderen neun Brillen bereitliegen. Das macht 10 mal 10 = 100
  • Die 10 Daseinsfaktoren. Das ist die „Hardware“ mit der jede Existenzform aufgebaut ist und in denen sich alle Veränderungsprozesse manifestieren. Sie sind:
    Aussehen, Charakter, Wesen, Kraft, Einfluss, innere Ursache, äußere Ursache, latente Wirkung, manifeste Wirkung, Folgerichtigkeit (aller Faktoren von Anfang bis Ende). Das macht 10 mal 10 mal 10 = 1000
  • Diese 1000 wirken wiederum in 3 Bereichen:
    – in unserem eigenen Inneren
    – in der Beziehung zu anderen
    – in unserer Umgebung (Gesellschaft, Natur, etc.)
    Macht 10 mal 10 mal 10 mal 3 = 3000

Das scheint erst mal eine komplexe Angelegenheit. Taugt aber erstaunlich gut im Alltag. Mehr davon erfährst Du in den einzelnen Blogartikeln bit by bit.

Karma

bedeutet im Allgemeinen die Summe von Handlungen – physisch, sprachlich oder gedanklich – und deren Auswirkungen.

Im traditionellen Verständnis prägt Karma die Bedingungen, in die wir geboren werden, unsere Neigungen und Erfahrungen. Es gilt als Ergebnis früherer Ursachen, oft über viele Leben hinweg.

Im Soka-Buddhismus wird Karma nicht als starres Schicksal verstanden, sondern als vollständig veränderbar. Entscheidend ist, dass wir im gegenwärtigen Moment eine neue wahre Ursache (Honnin Myō) setzen können, die stärker ist als alle früheren Ursachen.

Durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo richten wir unser Ichinen bewusst auf Mut, Mitgefühl und Weisheit aus.

Dies transformiert nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch unsere Umwelt, gemäß dem Prinzip von der Einheit von Selbst und Umgebung.

So wird selbst schweres Karma zum Antrieb für persönliches Wachstum. Die Vergangenheit bestimmt nicht, wer wir werden. Vielmehr entscheiden wir „von jetzt an“, welche Ursachen wir setzen und damit neue Wirkungsketten. Deshalb sprechen wir im Soka-Buddhismus auch von „Karma in Aufgabe verwandeln“, das ist sozusagen das Parallelprinzip von „Gift in Medizin verwandeln“: Im „Karma“, das in den Tiefen unseres Lebens existiert und sich in allen Freuden und Leiden vor uns entfaltet, ist gleichzeitig unsere Lebensaufgabe kodiert.

Hier findet sich übrigens eine starke Parallele zum psychotherapeutischen Ansatz von Viktor Frankls „Logotherapie“, in der psychische Erkrankungen durch neue, aktivierte Sinnfindung geheilt werden.

Lotos-Sutra

Das Lotos-Sutra (Saddharma Pundarika Sutra), das „Sutra der Lotosblume des wunderbaren Gesetzes“) gilt im Nichiren- und Soka-Buddhismus als die höchste und abschließende Lehre Shakyamuni Buddhas.

Es verkündet, dass ausnahmslos alle Menschen die Buddha-Natur besitzen und in diesem Leben Erleuchtung erlangen können – unabhängig von Herkunft, Fähigkeiten oder bisherigen Taten.

Zentral ist die Lehre von der Einheit von Buddhaschaft und gewöhnlichem Leben: Erleuchtung ist kein fernes Ziel für wenige Auserwählte, sondern eine gegenwärtige Möglichkeit für jeden.

Das Sutra betont Mitgefühl und die Rolle des Bodhisattva-Wegs, bei dem man sowohl das eigene als auch das Glück anderer anstrebt.

Für Nichiren war das Lotos-Sutra die „wahre Absicht“ des Buddha.

Er verdichtete dessen Essenz in der Ausübung von Nam-Myoho-Renge-Kyo – dem Rezitieren des Titels als direktem Zugang zur Buddhaschaft.

Im Soka-Buddhismus ist das Lotos-Sutra keine fern verehrte Schrift, sondern ein Lebensleitfaden: Es ermutigt, jede Situation als Chance zur inneren Wandlung zu sehen und anderen zu helfen, das gleiche Potenzial zu entfalten.

So wird das Sutra zur Quelle von Hoffnung, Handlungsenergie und einer zukunftsgerichteten Lebenshaltung – im persönlichen Alltag wie im gesellschaftlichen Engagement.

In seinen 28 Kapiteln entfaltet es ein bildhaftes Drama von der Gleichheit aller Lebewesen und zerstreut in mehreren Gleichnissen jegliche Art von Diskriminierung. Es könnte deshalb auch als poetische Blaupause für eine lebendige, schöpferische Demokratie gelesen werden.

Menschliche Revolution

Ein zentrales Konzept im Soka-Buddhismus. Es beschreibt den tiefgreifenden inneren Wandel eines Menschen – eine Veränderung der grundlegenden Haltung, Werte und Sichtweisen –, die zu positiver Veränderung im eigenen Leben und im Umfeld führt.

Man spricht von einer „Revolution“, weil es um einen radikalen, grundlegenden Wandel im Innersten des Menschen geht – vergleichbar mit einer politischen oder sozialen Revolution, nur eben im eigenen Leben.

„Revolution“ meint hier nicht eine sanfte Anpassung, sondern einen tiefen Bruch mit destruktiven Mustern: Angst wird in Mut verwandelt, Resignation in Hoffnung, Egozentrik in Mitgefühl. Im Gegensatz zu den meisten Revolutionen ist diese jedoch gewaltfrei und stabil, weil sie selbstbestimmt von innen nach außen wirkt.

Im Kern ist es eine Wandlung, wie sie alle buddhistischen Richtungen und letztlich alle Weltreligionen anstreben: weg vom kleinen Ego, hin zum großen Selbst. Ich kenne jedoch keine Philosophie, Therapieform oder Religion, in der dieser Wandlungsprozess so zentral ist und so konsequent-sportlich verfolgt wird. Die Ausübung im Soka-Buddhismus zielt darauf an, die Ressourcen für diese Revolution zu mobilisieren, vorrangig erst einmal die Kraft dazu, dieses Projekt mutig und vertrauensvoll anzugehen.

Weiterhin interessant: Dieser Prozess geschieht komplett in Eigenregie. Es gibt weder ein höheres Wesen noch einen erleuchteten Guru, in dessen Hände man sich begibt. Es gibt nur den eigenen immer wieder erneuerten, tiefen Entschluss (Ichinen).

Die eigene Menschliche Revolution verändert nicht nur, wie wir die Welt sehen, sondern auch, wie wir handeln – und damit die Realität, die uns umgibt.

Im Soka-Buddhismus gilt: Solche persönlichen Revolutionen sind der Schlüssel, um gesellschaftliche Probleme anzugehen, weil eine veränderte Welt nur durch Menschen entstehen kann, die sich verändern.

Mind/Spirit/Herz/Geist

Wird in diesem Blog beliebig gebraucht, weil wir weder im Englischen und schon gar nicht im Deutschen einen passenden Begriff dafür haben. Im Japanischen gibt es „Kokoro“, wörtlich „Herz“, und es umfasst das innere Zentrum des Menschen: Gefühle, Emotionen, Verstand, Geist, Wille und Haltung. Im Westen denken wir das alles getrennt, hier ist es eins.

Im echten Leben – so erlebe ich es – ergibt diese Trennung in Gefühle, Emotionen, Verstand, Geist, Wille oder Haltung keinen Sinn. Alles überlappt sich und geschieht gleichzeitig.

Wenn also „Mind“ oder „Spirit“ oder „Geist“ oder „Herz“ im Blog auftauchen, ist immer dieses „Kokoro“ gemeint – unser inneres Wesen, das immer gleichzeitig denkt und fühlt und wahrnimmt und interpretiert und empfindet und imaginiert und irgendetwas will.

Mittlerer Weg

Ein Grundprinzip des Buddhismus, das Extreme, sich widersprechende Ansichten und Polaritäten transzendiert. Es ist Hegels dialektischem Dreischritt – These, Antithese, Synthese – nicht unähnlich. Mit einem wichtigen Unterschied: Im Buddhismus will das Befolgen des Mittleren Wegs extreme Ansichten von vorneherein vermeiden, während bei Hegel die gegenseitigen Extreme als Prozess durchlaufen werden und die höhere Einheit als Ergebnis entsteht.

Der Mittlere Weg schult den Geist, das Entweder-Oder-Denken zu überwinden und ihn mit einem Sowohl-Als-Auch- oder Weder-Noch-Denken zu erweitern.

In den Naturwissenschaften hat uns vor allem der Welle-Teilchen-Dualismus in der Quantenphysik dieses Denken gelehrt.

Im Buddhismus kommt die Erkenntnis vom Mittleren Weg in verschiedenen Diskursen zum Tragen, die sich im Laufe der Zeit entwickelten:

In den frühen Lehren des Buddhismus bedeutete der Mittlere Weg vor allem die Ablehnung der beiden Extreme der „Begierden-Erfüllung“ und „Selbstkasteiung“. Diese Ablehnung lässt sich direkt auf Shakyamunis Leben zurückführen, der dem extrem hedonistischen Leben als Prinz entsagte, den Palast verließ und viele Jahre ein extrem asketisches Leben führte. Letzteres verwarf er jedoch kurz vor seiner Erleuchtung ebenfalls als nicht zielführend. Fortan predigte er eine Lebensweise zwischen den beiden Extremen, also weder total lustgewinn-orientiert noch total entsagend. Dies ist die erste Bedeutung des Mittleren Weges.

Der buddhistische Gelehrte Nāgārjuna wandte dann das Konzept des Mittleren Weges auf die Betrachtung des Daseins an. Er bezeichnete damit die wahre Natur aller Dinge: Sie würden weder geboren noch sterben und könnten nicht durch eines der beiden Extreme von Existenz oder Nichtexistenz definiert werden. Die wahre Natur aller Phänomene ist Nicht-Substantialität: Nichts existiert absolut, ewig fix und aus sich selbst heraus, sondern alles existiert immer in Beziehung zueinander und zeigt je nach Kontext mal diese, mal jene Eigenschaften.

Tiantai formte daraus später seine Lehre von den Drei Wahrheiten, in der die letztliche Wahrheit des Mittleren Weges besagt, die wahre Natur aller Phänomene sei weder Nichtsubstantialität noch vorübergehende Existenz, sondern weist Eigenschaften von beidem auf.

In allen diesen Bedeutungen wird eine wichtige Disziplin im buddhistischen Denken erkennbar: Ambiguität aushalten können. Die buddhistische Ausübung ist unter anderem ein Training, dualistisches Denken aufzulösen. Das ist schwierig, weil unser Verstand gerne absolute Gewissheit haben möchte und deshalb die Welt gerne in absolute Kategorien einteilt. Das ist aber, laut Buddhismus, eine Illusion, die falsche Sicherheiten schafft und damit unweigerlich eine neue Ursache für Enttäuschung und Leid.

Im praktischen Leben trainieren wir Buddhisten uns darin, das „Recht-Haben-Wollen“ hintanzustellen und stattdessen Lösungen zu finden, die so viele Ansichten wie möglich integrieren, auch gegensätzliche. Das Finden des Mittleren Wegs auf der Alltagsebene ist weit entfernt von einem lauwarmen Kompromiss, sondern ein dynamischer, vielstimmiger und schöpferischer Prozess, der eine höhere Chance für wert-schaffende Lösungen eröffnet als einseitiges Denken und Rechthaben. Dies gilt auch und vor allem für Konflikte, Planungen, Problemlösungen oder fürs Management von Ressourcen.

[vgl. auch Dictionary of Buddhism, S. 405]

Nam-Myoho-Renge-Kyo (Chanten)

Dieser Satz ist das Brot unserer buddhistischen Ausübung und die Butter gleich obendrauf. Wir rezitieren diesen Satz jeden Tag während unserer Meditation. Dies nennen wir „Chanten“. Ja, unsere Meditation ist laut und nicht still, wie Du es vielleicht von anderen Traditionen kennst. Deshalb sind wir uns nicht sicher, ob der Begriff „Meditation“ überhaupt passt. Wie auch immer. Wir sitzen oder knien, konzentrieren uns und chanten diesen Satz immer wieder:

Nam-Myoho-Renge-Kyo, Nam-Myoho-Renge-Kyo, Nam-Myoho-Renge-Kyo, und so fort.

Was passiert da und warum machen wir das?

Wir produzieren Klang mit unserer eigenen Stimme. Indem wir Nam-Myoho-Renge-Kyo chanten und uns selbst dabei zuhören, baut sich eine Kraft in uns auf, die mal allmählich, manchmal aber auch sofort spürbar wird. Wir bekommen Abstand zu unseren Alltagsgedanken, die Zuversicht wächst, neue Gefühle entstehen, nicht immer gleich positive, aber es gerät etwas in Bewegung. Das, was da in uns zu wirken beginnt, ist unsere Buddhaschaft. Sie ist immer da, und durch das Chanten wecken wir sie auf und nähren sie, so dass sie sich immer stärker in unserem Alltag, mitten im Meer unserer Probleme, manifestieren kann. Und Veränderung zum Positiven bewirkt.

Es hilft, wenn Du mit der These etwas anfangen kannst, dass alles im Universum aus Klang, aus Schwingung besteht – Materie und Nicht-Materie, Manifestes und Potentielles, Statisches und Dynamisches. Klang ist der Kitt, der das Universum zusammenhält und ständig verändert.

„Ah, Nam-Myoho-Renge-Kyo ist also ein Mantra! Machen wir beim Yoga auch“, magst Du vielleicht denken. Ja, es ist ein Mantra, aber es ist für uns viel, viel mehr als das. Dieser Klang ist für uns die Wesenheit des ewigen Buddha, der jederzeit, immer und überall verweilt. Durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo erwecke und stärke ich diesen Buddha in mir.

Das lässt sich mit dem Verstand nicht vollständig begreifen. Aber wenn ich es tue, begreife ich sehr wohl dieses Klang-Wesen und erlebe die Wirkung in meinem Leben. Und zur Beruhigung: Esoterischer wird es im Soka-Buddhismus nicht, und auch das ist nicht wirklich esoterisch: Nichiren, der Begründer dieser Ausübung, hat mehrere tausend Seiten hinterlassen, in denen er logisch herleitet, warum es genau dieses Klang-Gebilde ist und kein anderes.

Jetzt zur Frage, was die Worte im Einzelnen bedeuten. Hier eine oberflächliche Übersetzung:

NAM >> sich widmen, voll und ganz

MYOHO >> Mystisches Gesetz

Myo ist der Name für die mystische Natur des Lebens und Ho für seine

Manifestationen.

MYO > das Mystische, Verborgene, Unfassbare, der Tod, vollkommen ausgestattet sein, öffnen, wiederbeleben; bezieht sich auf die jedem Menschen innewohnende Buddhanatur.

HO > das Manifeste, Sichtbare, Fassbare, das Leben, grundlegende Dunkel-heit, Verwirrung, Unwissenheit.

RENGE >> Lotos-Blume

Ein Symbol für die Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung.

KYO >> Stimme oder Lehre des Buddha. Der Klang, die Schwingung, die alles im Universum miteinander verbindet.

Der ewige Buddha drückt sich also durch ein Gesetz aus, das alle Phänomene im Universum umfasst. Indem wir chanten, widmen uns diesem Lebensgesetz und stärken dessen Wirkung in unserem Leben. Damit stärken wir wiederum unseren Selbstwert, unsere Selbstwirksamkeit, und unseren Glauben an die Veränderbarkeit der jetzigen Lebenssituation.

Myoho-Renge-Kyo ist auch der Titel des Lotos-Sutra, der zentralen Lehre des Buddha. In den 28 Kapiteln des Lotos-Sutra wird dieses universale Lebensgesetz in dramatisch-poetischer Form beschrieben. Es ist das Gesetz, so sagt der Buddha dort, zu dem er selbst seit Urzeiten erwacht ist und dadurch zum Buddha wurde. Er sagt dort auch, dass es allen Lebewesen zugänglich ist. Diesen Zugang verschaffen wir uns durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo.

Neun Bewusstseins-Arten

Im Soka-Buddhismus, der auf den Lehren Nichirens und der Auslegung durch Tiantai basiert, gibt es nicht nur Bewusstsein und Unbewusstes, sondern gleich neun Arten oder Ebenen von Bewusstsein. Sie erklären, wie wir die Welt wahrnehmen, handeln und unser Leben gestalten:

Die ersten 5 Bewusstseins-Ebenen sind unsere 5 Sinne: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten. Sie sind die Tore, durch die äußere Eindrücke in unser Inneres dringen. Es gibt also ein Seh-Bewusstsein, ein Hör-Bewusstsein und so weiter.

Das 6. Bewusstsein ist unser ist unser Verstand: Er koordiniert den Input der ersten fünf, fügt die zu einem sinnvollen Ganzen zusammen und setzt Impulse für Gefühle, Gedanken und Taten.

Das 7. heißt Manas-Bewusstsein – das selbstbezogene, oft egozentrierte Denken, das das „Ich“ als getrennt erlebt. Grob etwa das, was Freud mit „Es“ bezeichnet – dasjenige, was uns, meist unbewusst, treibt.

Das 8. ist das Ālaya-Bewusstsein (Speicherbewusstsein) – es enthält das „Karma-Samenkorn“, die Gesamtheit vergangener Handlungen, Gewohnheiten und Neigungen, die unsere gegenwärtige Erfahrung prägen. Es ist bereits transpersonal, d.h. darin befindet sich auch das Gedächtnis unserer Vorfahren und das, was die Evolution in unseren Genen gespeichert hat. Man könnte es im Gegensatz zum 7. das erweiterte oder große Unbewusste nennen – so wie es im Westen z. B. von C. G. Jung erforscht und beschrieben wurde.

Diese acht Ebenen sind von Illusionen beeinflusst und ständig in Kausalwirkungen verstrickt, also ständig Karma schaffend.

Die 9. Ebene – Amala-Bewusstsein – ist die reine, unveränderliche Lebensgrundlage, identisch mit der Buddha-Natur.

Im Soka-Buddhismus wird gelehrt, dass durch die Praxis von Nam-Myoho-Renge-Kyo die 9. Ebene aktiviert wird. Von hier aus kann man das karmisch geprägte Speicherbewusstsein (8.) reinigen und die darüber liegenden Ebenen positiv ausrichten.

So wird tiefgreifender Wandel möglich: nicht nur oberflächlich im Denken oder Verhalten, sondern an der Wurzel des Lebens – was zur Menschlichen Revolution und zur Transformation von Karma führt.

Nichiren Daishonin

Lebte von 1222 bis 1282 in Japan und ist der Gründer des Nichiren-Buddhismus der wiederum die Grundlage des Soka-Buddhismus bildet, der etwa 700 Jahre später begann und Nichirens Lehren weltweit bekannt machte. Er zählt zu den zentralen Figuren des japanischen Buddhismus und gilt als Rebell unter den buddhistischen Priestern seiner Zeit.

Sein Verdienst für das 21. Jahrhundert ist es, den Buddhismus in eine praktikable, funktionierende Form gebracht zu haben, die für jeden Menschen zugänglich und erfahrbar ist. Mehr zu seiner Person findest Du in der Buddhistory. Mehr zu seinem Werk findest Du im Kanon.

Religion/Spiritualität/religiös/spirituell/geistig

Ähnlich wie bei Mind/Spirit/Herz/Geist möchte ich auch hier auf die mangelnde Trennschärfe zwischen Religion und Spiritualität hinweisen. Denker wie Viktor Frankl, William James oder John Dewey sprechen zum Beispiel vom „Religiösen“ und meinen damit ausdrücklich nicht die tradierte, äußere Religion, sondern das Geistige oder Spirituelle in uns.

Säkulare Zeitgenossen benennen diese Dinge aber anders und polarisierend: Religion gilt als problematisch, veraltet und ist gemeinhin negativ konnotiert, Spiritualität hingegen ist trendy, frei und positiv konnotiert.

Hier wird die Haltung vertreten, dass Religion und Spiritualität nicht so leicht zu trennen sind. Beides kann den Weg zu Befreiung und Glück weisen, beides kann missbraucht werden. Deshalb werden beide Begriffe benutzt, ohne größere Unterscheidung voneinander.

Soka Gakkai

Zu deutsch etwa „Werteschaffende Gesellschaft“ – ist eine weltweite buddhistische Laienbewegung, die auf den Lehren des japanischen Mönchs Nichiren (1222–1282) basiert.

Ihr Kern ist die Ausübung von Nam-Myoho-Renge-Kyo, dem Rezitieren des Titels des Lotos-Sutra, als unmittelbarer Weg, die in jedem Menschen vorhandene Buddha-Natur zu aktivieren.

Gegründet 1930 in Japan als Bildungsbewegung, entwickelte sich die Soka Gakkai zu einer internationalen Friedens-, Kultur- und Bildungsorganisation mit etwa 12 Millionen Mitgliedern in über 190 Ländern.

Sie betont die Menschliche Revolution – den tiefen inneren Wandel als Grundlage für gesellschaftliche Erneuerung – und sieht persönliche Verantwortung, Mitgefühl und Mut als Schlüssel für eine bessere Welt.

Die Soka Gakkai engagiert sich in Bereichen wie Friedensförderung, Menschenrechte, Umweltschutz und interreligiöser Dialog.

Sie kooperiert mit den Vereinten Nationen, veröffentlicht Friedenserklärungen und initiiert Bildungsprojekte.

Ihr Ziel ist eine globale Kultur des Friedens, basierend auf der Würde allen Lebens.

Praktizierende werden ermutigt, in Alltag, Beruf und Gemeinschaft aktiv zu wirken, um Leid zu lindern und Hoffnung zu schaffen – ausgehend von der Überzeugung, dass eine veränderte Welt nur durch veränderte Menschen möglich ist.

Soka-Buddhismus

Eine moderne Ausprägung des Nichiren-Buddhismus, benannt nach dem japanischen Mönch Nichiren (1222–1282).

Wie andere buddhistische Traditionen teilt er Grundprinzipien wie die Vergänglichkeit aller Dinge, die wechselseitige Verbundenheit allen Lebens und das Ziel, Leid zu überwinden.

Seine Besonderheit liegt jedoch in der zentralen Rolle des Lotos-Sutra, das lehrt, dass alle Menschen in diesem Leben die Buddhaschaft erlangen können, unabhängig von Herkunft oder Fähigkeiten.

Die Praxis konzentriert sich auf das Rezitieren von Nam-Myoho-Renge-Kyo, um die eigene Buddha-Natur zu aktivieren und im Alltag Mut, Weisheit und Mitgefühl zu entfalten.

Im Unterschied zu meditativen oder asketischen Wegen versteht der Soka-Buddhismus Erleuchtung nicht als Rückzug, sondern als aktives Gestalten des Lebens und der Gesellschaft.

Kern ist das Konzept der Menschlichen Revolution – der tiefen inneren Wandlung als Motor für äußere Veränderungen.

Daraus folgt ein starkes Engagement für Frieden, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit.

Soka-Buddhismus ist damit zugleich spiritueller Weg und praktischer Lebensansatz: Er verbindet persönliche Entwicklung mit dem Ziel, zu einer Kultur des Friedens beizutragen – in der Überzeugung, dass die Veränderung der Welt mit der Veränderung des eigenen Herzens beginnt.

Ursache & Wirkung

Im Japanischen heißt dieses Kausalprinzip „Renge“. Es bedeutet „Lotosblume“ und ist Teil von Nam-Myoho-Renge-Kyo.

Im Soka-Buddhismus symbolisiert der Lotos ein zentrales Prinzip: Er blüht und trägt Samen gleichzeitig – Blüte (Wirkung) und Samen (Ursache) treten zur selben Zeit auf.

Übertragen heißt das: Ursache und Wirkung sind im Leben untrennbar verbunden. Jede Handlung, jeder Gedanke und jede Entscheidung trägt ihre Folge schon in sich, auch wenn diese erst später sichtbar wird.

Dies unterscheidet sich von einem linearen Verständnis, bei dem Ursachen der Vergangenheit erst irgendwann in der Zukunft Wirkungen zeigen.

Das Prinzip betont auch die sofortige Wirkung innerer Ausrichtung (Ichinen): Eine neue, konstruktive Ursache (Honnin Myō) setzt unmittelbar eine positive Wirkungskette in Gang, selbst wenn äußere Veränderungen Zeit brauchen.

Im Nichiren-Buddhismus bedeutet das: Durch das Rezitieren von Nam-Myoho-Renge-Kyo richtet man sein Leben bewusst auf Weisheit, Mut und Mitgefühl aus und beginnt sofort, ein neues karmisches Muster zu schaffen.

So wird Renge zum Sinnbild für Hoffnung und Handlungsfreiheit – egal, welche Ursachen in der Vergangenheit gesetzt wurden, im gegenwärtigen Moment kann eine neue Richtung entstehen.

Verbreitung & Weltfrieden (Kosen-rufu)

Kosen-rufu bedeutet wörtlich „weithin fließen“ und bezeichnet im Soka-Buddhismus die weltweite Verbreitung der Lehre des Nam-Myoho-Renge-Kyo, um eine friedvolle, lebensförderliche Gesellschaft zu schaffen.

Der Begriff taucht bereits im Lotos-Sutra auf, wo er die Zeit beschreibt, in der die Lehre allen Menschen zugänglich gemacht wird.

Im Soka-Buddhismus wird Kosen-rufu nicht als „Missionieren“ verstanden, sondern als Zugänglich-Machen der Ausübung. Im Buddhismus gibt es nirgends ein äußeres Glaubensbekenntnis, das man erst einmal annehmen muss, um dazuzugehören. Deshalb ist es sinnlos, jemanden zu einem Glauben zu überreden oder gar zu zwingen.

Der Ehrlichkeit halber muss jedoch angemerkt werden: Die Soka-Gakkai hat in Japan während der 1950er und 1960er leidenschaftlich missioniert und ist dadurch exponentiell gewachsen. Im Internet findet sich noch allerlei Kritik dazu, auch wenn die „Verbreitung“ mittlerweile sanfte und respektvolle Formen angenommen hat.

Dazu vielleicht Folgendes: In Japans Nachkriegszeit befanden sich die meisten Menschen in tiefer Not und spiritueller Verzweiflung. Die Mitglieder der Soka Gakkai waren damals deshalb so missionarisch, weil sie 1) etwas gefunden hatten, was ihr Leben tatsächlich verbesserte, 2) dies aus Mitgefühl für andere eben nicht für sich behalten, sondern mit anderen teilen wollten. Das war übrigens die gleiche Entscheidung, die der historische Buddha Shakyamuni getroffen hatte: Hätte er sich nicht für die Verbreitung entschlossen, gäbe es keinen Buddhismus.

Normalerweise, wenn neue religiöse Bewegungen einen Hype erleben, flacht dieser irgendwann wieder ab, wenn die Lehre nicht das verspricht, was sie hält. Die Soka Gakkai wächst mittlerweile zwar nicht mehr so schnell, aber sie wächst noch immer.

Kosen-rufu beginnt deshalb immer im kleinen Rahmen – im Dialog, in Ermutigung, in der Unterstützung anderer – und weitet sich von dort aus.

Ich persönlich erlebe die Soka Gakkai hier bei mir Hamburg eher als Fitness-, denn als Glaubensgemeinschaft: kein spiritueller Dünkel, keine esoterische Geheimnistuerei, kein Gruppendruck – sondern respektvolle gegenseitige Unterstützung und Ermutigung auf dem Weg, die Buddhaschaft zu verwirklichen. Und dieser Weg hat, wie im Sport, viel mit Anstrengung und Selbstüberwindung zu tun.

Das Ziel von Kosen-rufu ist nicht nur persönliches, sondern gegenseitiges Glück: eine Gesellschaft, in der Menschen auf der Grundlage von Respekt, Mitgefühl und Verantwortung zusammenleben.

Weltfrieden wird hier nicht allein durch politische Strukturen erwartet, sondern durch die Menschliche Revolution vieler Einzelner: Wenn genügend Menschen ihre destruktiven Muster überwinden und aus Weisheit und Mitgefühl handeln, verändert sich auch das kollektive Klima.

So ist Kosen-rufu ein langfristiges, generationenübergreifendes Ziel – zugleich aber eine tägliche Praxis, die im Hier und Jetzt beginnt und im direkten menschlichen Kontakt Gestalt annimmt.

Wert schaffen (Soka)

Die Philosophie des Werte-Schaffens (Soka) geht auf Tsunesaburo Makiguchi zurück, den Gründer der Soka Gakkai (Werte-schaffende Gemeinschaft), der mittlerweile weltweit größten buddhistischen Laienorganisation.

Interessanterweise entstand diese Philosophie zuerst ohne Rückgriff auf den Buddhismus. Makiguchi, ein Lehrer und später Schuldirektor, schuf sie ursprünglich als Basis für seine Reformpädagogik. Sie beruht auf zwei Maximen:

  1. Ziel aller pädagogischen Bemühungen ist das Vermitteln der Fähigkeit, aus eigener Kraft glücklich zu werden.
  2. Glücklich wiederum wird man, wenn man die Fähigkeit erlangt, auf allen Gebieten des Lebens Wert zu schaffen.

Es gibt drei verschiedene Arten des Werte-Schaffens:

Nutzen schaffen – das, was praktisch vorteilhaft ist

Gutes schaffen – das, was moralisch richtig ist

Schönheit schaffen – das, was ästhetisch berührt

Makiguchi knüpft hier an die klassischen Werte der westlichen Antike – „Wahrheit, Schönheit und Güte“ – an und ersetzt dabei ganz bewusst „Wahrheit“ durch „Nutzen“. Damit wird seine Philosophie nicht idealistisch, sondern pragmatisch: „Wahr“ ist, was als hilfreich, förderlich und wirksam erlebt wird. „Nutzen“ wird hier zur konkret erfahrbaren Form von Wahrheit im eigenen Leben. Damit hakt sich Makiguchi bei den amerikanischen Pragmatisten ein, dessen Hauptvertreter, John Dewey, er gekannt und geschätzt hatte.

So entstand also, tief im fernen Osten, eine zutiefst westliche Erziehungsphilosophie …

… um sich dann mit dem Nichiren-Buddhismus zu vermählen.

Dies geschah 1928, da war Makiguchis bereits 57 Jahre alt. Zuvor hatte er weder zum Buddhismus noch zu irgendeiner anderen Religion einen Bezug. Doch in seinem reformpädagogischen Streben suchte er nach einer tieferen geistigen Grundlage. Erziehung allein reichte nicht, es brauchte noch etwas, das den Menschen dauerhaft in der Fähigkeit stärkt, Wert zu schaffen. Als er über einen gemeinsamen Bekannten mit der Nichiren-Schule in Berührung kam, beeindruckten ihn drei entscheidende Dinge:

  • Die Betonung, dass jeder Mensch die Buddhanatur besitzt, (was für ihn als Pädagogen erst mal „unendliches Potential“ bedeutet haben könnte.
  • Dass sich durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo erfahrbar die Stärkung einstellte, Wert schaffen zu können.
  • Dass diese Lehre selbst einfachen Menschen zugänglich war und damit der Zugang zur eigenen Buddhanatur – der „Urkraft“ des Werte-Schaffens.

So erfuhr die ursprüngliche Reformpädagogen-Bewegung eine spirituelle Vertiefung. Daraus entwickelte sich allmählich eine buddhistische Laienbewegung – die Soka Gakkai.

Der Soka-Buddhismus ist somit eine west-östliche Vermählung – gut möglich, dass er seine Vitalität genau aus dieser Spannung bezieht.

Was die Philosophie des Werte-Schaffens im Wirtschafts- und Arbeitsleben bewirken kann, ist Teil dieses Blog-Experiments und wird nach und nach in den Beiträgen erkundet.

Zehn Daseinsfaktoren

Auch zehn Existenzfaktoren – stammen aus dem Lotos-Sutra und beschreiben, wie jedes Phänomen – belebt oder unbelebt – in seiner Gesamtheit existiert.

Sie lauten: (1) Erscheinung, (2) Natur, (3) Wesen, (4) Kraft, (5) Einfluss, (6) innere Ursache, (7) Beziehung, (8) latente Wirkung, (9) manifestierte Wirkung und (10) immer und überall zu finden (oder Durchgängigkeit).

Zusammen zeigen sie, dass nichts nur oberflächlich oder einseitig existiert: Jeder Moment enthält alle zehn Faktoren zugleich.

Sie verbinden äußere Merkmale (Erscheinung), innere Eigenschaften (Natur), Funktion (Kraft, Einfluss) und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (innere Ursache, Beziehung, Wirkungen).

Im Soka-Buddhismus werden sie genutzt, um zu verstehen, dass alle Erscheinungen – auch wir selbst – Ausdruck der Buddha-Natur sind.

Das heißt: Selbst schwierigste Umstände sind nicht getrennt von unserem inneren Potenzial, sie können transformiert werden.

Für den Alltag bedeutet das: Wir lernen, Situationen und Menschen nicht nur oberflächlich zu beurteilen, sondern tiefer zu sehen – ihre Ursachen, Möglichkeiten und Wechselwirkungen.

Diese Sicht fördert Respekt, Geduld und Handlungsfähigkeit, weil wir erkennen, dass jeder Moment vollständig und aus ihm heraus positive Veränderung möglich ist.

Zehn Welten

beschreiben zehn innere Lebenszustände, die jeder Mensch in jedem Moment erfahren kann.

Sie sind:
(1) Hölle (Verzweiflung)
(2) Hunger (Gier)
(3) Tierheit (Instinkt, Angst)
(4) Ärger (Machtstreben, Arroganz)
(5) Menschlichkeit (Ruhe, Vernunft)
(6) Freude (kurzfristige Zufriedenheit)
(7) Lernen
(8) Teilerkenntnis (Suche nach Wahrheit)
(9) Bodhisattva (Mitgefühl)
(10) Buddhaschaft (Weisheit, Mitgefühl, unbegrenzte Lebensenergie).

Die zehn Welten sind Teil des Konzepts von Ichinen Sanzen, mit dem der Gelehrte Tiantai die Dynamik und Bestandteile des Lebens beschrieb.

Im Soka-Buddhismus wird gelehrt, dass diese Welten nicht fest sind, sondern sich momentweise wandeln – oft hunderte Male am Tag.

Zudem enthalten sich alle gegenseitig (jikkai gogu), d. h. selbst in der Hölle, der tiefsten Verzweiflung, ist das Potenzial zur Buddhaschaft vorhanden.

Die Ausübung von Nam-Myoho-Renge-Kyo dient dazu, den Zustand der Buddhaschaft bewusst zu aktivieren und dadurch die anderen Lebenszustände zu harmonisieren.

Für den Alltag bietet dieses Modell einen realistischen Blick auf menschliches Verhalten – sowohl das eigene als auch das anderer – und die Möglichkeit, bewusst den inneren Zustand zu verändern.

So können wir auch in Konflikten, Stress oder Leid aus einem stabilen, mitfühlenden und klaren Bewusstsein handeln und konstruktiv Einfluss nehmen.